Donnerstag, 14. Juni 2007
Feindbeobachtung
Ich habe heute versucht, die Hierarchie unter den Referendaren zu durchschauen. In Gruppen gibt es immer Alpha-Tierchen, so auch hier. Nach der Formation beim heutigen Abgang zum Lunch muss ich zu dem Schluss kommen, dass deren Alpha-Äffchen folgende Merkmale hat:

Stoppelhaarige Fastglatze, Monogramm auf dem Hemd und Manschettenknöpfe. Ob das für eine Voodoo-Puppe reicht?

(Zum Glück war das nicht zufällig auch der Typ, der mir die Grundbuchauszüge aufs Auge gedrückt hat. So sieht es danach aus, als ob dieser Referendar eher ein Omega-Tierchen ist. Jedenfalls erzählte mir heute die Sekretärin des Partners, für den er arbeitet, dass er den Associates gegenüber kaum den Mund aufbekommt. Hilft mir natürlich nichts. Mir gegenüber bekommt er ihn ja auf.)

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Guter Rat
Ein Kommentator hatte mir geraten, Laschen-Louie auf seinen vergifteten "Tip" mit dem Referendar-Stammtisch anzusprechen. Kurz vor Feierabend habe ich genau das heute getan - und es hat sich gelohnt!

"Tut mir leid, dass das so abgelaufen ist. Beim nächsten Mal gehe ich mit Ihnen, dann sorge ich dafür, dass Sie auch bleiben dürfen."

Eigentlich nett von ihm, oder? Bleibt aber ein etwas komischer Nachgeschmack. Alleine werde ich mich jedenfalls nicht mehr da hin trauen.

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Ein eigenes T-Shirt
Ich sehe gerade, das man mir sogar ein eigenes T-Shirt widmet (hier klicken). Supernett, danke! Das mit der Mail ist nicht schlimm, ich mache ja kein Geheimnis aus meinem Studium. Die Kanzlei bei der ich arbeite will ich aber nicht nennen und versuche das auch so gut wie es geht zu verschleiern.

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Der "Keller"
Man fragte mich, ob ich wirklich im Keller sitzen muss. Das muss ich richtigstellen. "Keller" ist meine (und die support-staff-interne) Bezeichnung für ein paar fensterlose Räume, von denen der Architekt sicher nie gedacht hätte, dass hier mal Menschen dauerhaft arbeiten sollen. Da hat er aber weder mit dem Wachstum des Standorts noch mit der Geringschätzung dem "Support Staff" gegenüber gerechnet.

Mittlerweile macht es mir aber nichts mehr aus. Ich habe ein Poster aufgehängt, jetzt fühle ich mich richtig wohl. Mit im Zimmer sitzt übrigens ein Kollege, der irgendwas mit "Marketing" macht. Ein netter Typ, mit dem man auch mal ein offenes Wort über die Kanzlei und die Unkultur hier reden kann. Glaubt man gar nicht, wenn man sich die Hochglanzbroschüren anschaut und davon ausgeht, dass er da angeblich zumindest teilweise mitverantwortlich für den Text ist ...

Bald sollen wir einen zweiten "Paralegal" bekommen, dann sind wir schon mal ein Team und man wird uns nicht mehr so einfach übergehen können. Vielleicht kriegen wir dann auch einen eigenen "Paralegal-Abend". Man wird sehen.

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Sommerfest
Gerade ging die Mail mit der endgültigen Sommerfestplanung herum. Alle sind eingeladen, auch die Abendsekretärinnen (die müssen nur eine "Notbesatzung" für den Tag sicherstellen). Die Referendare stürzen sich natürlich wie die Geier auf so eine Veranstaltung. Sind kaum einen Monat hier und kommen auch nur drei oder vier Tage die Woche, aber wenn es was kostenlos zu essen gibt, sind sie da, wie die Schmeißfliegen.

Vielleicht sollte ich auch Referendar werden. In der Gesetzgebung wird ja gerade viel geändert in Sachen Wirtschaftsjuristen und Rechtsberatung und so. Ich gehe fest davon aus, dass wir bald Referendare oder Anwälte werden können.

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Strategischer Vorteil
Gerade noch niedergeschlagen, bin ich jetzt wieder bester Laune. Ich bin ja auf dem Sekretärinnen-Mailverteiler. (Auch so eine Sache, aber dazu später mal mehr.) Gerade ging eine Mail rum:
An: $Secretaries FFM

Betreff: Warmes Essen in Konfiküche

Liebe Mädels,

die DD-Anwälte haben wieder leckere Nudeln und Salat übriggelassen.

Wer Zeit und Lust hat, wir treffen uns auf ein Schwätzchen oben.
Krieg ich also doch noch Mittagessen. Hihi.

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Genau sowas hasse ich
Der Uni-Fatzke ist doch tatsächlich zu seinem Chef gegangen. Der kennt zwar sonst nicht einmal meinen Namen, hat mich aber gerade angerufen und gefragt, ob es stimmen würde, dass ich mich weigerte, Arbeitsanweisungen anzunehmen.

"Natürlich nicht."

"Dann ist ja gut. Mittag können Sie auch später machen, die Sache eilt."

Jetzt sitze ich hier, während mein Kollege aus dem Materiallager, mit dem ich meistens zum Mittagessen gehe, schon seinen Rukolasalat essen darf.

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Retourkutsche
Grade hat mich einer der gestern beteiligten Referendare angesprochen. Er wolle gleich zum "Lunch" mit Kollegen und habe eine kleine Bitte an mich. Ob ich nicht schnell ein paar Grundbuchauszüge auf ein bestimmtes Flurstück durchsehen könnte. Das sei ja doch eher stupide Arbeit und angesichts seiner Lunchverabredung ...

Ich habe ihn einfach stehen lassen. In your face, Uni-Fatzke.

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Aktueller Genickschlag
Eigentlicher Auslöser für die Geburt dieses Tagebuchs sind die unfassbaren Geschehnisse beim gestrigen "Abend für die Referendare". Diese "Juristen" (sie haben alle nur ein Examen!) werden von der Sozietät hofiert wie hübsche Jungfrauen auf einem Maitanz.

Während wir Paralegals häufig schon mehrere Jahre im Job sind, kommen diese Grünschnäbel frisch von der Uni und bilden sich darauf auch mächtig was ein. Solche Machtphantasien gipfeln dann in Situationen wie gestern:

Der Associate, für den ich am häufigsten und auch sehr gerne arbeite, lud mich beiläufig zum Referendarstammtisch ein, nachdem ich für ihn über die gesamte letzte Woche hinweg Aktenordner für eine bevorstehende Due Diligence kopiert, geordnet und mit Laschen versehen hatte. Laschen mag er sehr und besteht auf einem komplizierten Farbcode, den er mir mal als Handout zum Auswendiglernen mitgegeben hatte, damit ich "auch in hektischen Dealphasen bei den Laschen keine Performance-Einbrüche" zu verzeichnen hätte (das Codesystem ist eigentlich recht einfach und für mich kein Problem). Ich nenne ihn seitdem Laschen-Louie, natürlich nur, wenn ich mit mir selbst spreche, was ich oft tue, wenn ich in meinem Kellerbüro solche Laschenarbeiten verrichte.

Laschen-Louie also erwähnte den "Abend für die Referendare" und ergänzte ein "Da könnten Sie eigentlich auch mal hingehen, bei allem, was Sie für die Kanzlei tun". Meine jüngste Laschenodyssee hatte ihn erkennbar beeindruckt, was mich nicht wenig Stolz machte.

Als ich den Laden betrat, führte mich der Lärmpegel der alkoholisierten Referendargruppe schnell zum richtigen Tisch. Man hatte allerhand Leckerbissen aufgefahren, einige Associates tranken mit und selbst der lokale Hiring-Partner war da. Ihn erkenne ich, weil er damals meinen Anstellungsvertrag unterschrieben hatte und ich ihn gleich darauf auf der Website ausfindig gemacht hatte und mir das Bild ausgedruckt hatte. Überhaupt habe ich alle Partnerbilder ausgedruckt und versuche, sie mir einzuprägen. Solche Tricks sind leider notwendig, weil man im Tagesgeschäft als Paralegal leider in der Regel keinen Partnerkontakt hat (schon wegen der räumlichen Trennung).

Der Rest ist leider schnell erzählt: Als mich der erste Referendar erkannte, stieß er seinen Kollegen an und setzte eine Kettenreaktion der unangenehmen Sorte in Gang. Nachdem jeder mit dem Finger auf mich gezeigt hatte, wurde es ganz plötzlich merklich stiller und die Köpfe drehten sich wie von Geisterhand synchronisiert in Richtung des Hiring-Partners, der sich gerade über einen der 18-Euro-Hawaii-Toasts hermachte, für die diese Bar eine gewisse Berühmtheit erlangt hat.

Nach kurzer Zeit war auch er im Bilde. Man konnte ihm förmlich ansehen, wie er die Situation taxierte, wie er das letzte bisschen Menschenfreundlichkeit gegen die Erwartungen abwog, die die Referendare an ihn stellten. Ich sag ihm an, dass er mein Gesicht kennen musste, jedenfalls zuckte er kurz zusammen, ohne sich nennenswert Mühe zu geben, das vor mir zu verbergen.

Es kann keine schwere Entscheidung gewesen sein, die er da traf, jedenfalls nahm er nicht einmal den 18-Euro-Toast aus den Händen:

"Es tut mir leid, aber das ist eine geschlossene Veranstaltung für die Referendare der Sozietät. Der Support-Staff hat seine eigenen Get-togethers. Haben Sie bitte Verständnis und ersparen Sie in Zukunft sich und uns solche Szenen."

Unter dem kaum unterdrückten Gelächter der Referendare und Associates trat ich wortlos den Rückzug an. Auf dem Weg zur S-Bahn und während der Fahrt (ich wohne etwas außerhalb, die Mieten sind unvernünftig hoch in der City) hatte ich nur einen Gedanken: War das Absicht von Laschen-Louie?

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Gegenentwurf
Eine entspannte Lektüre meines liebgewordenen jurablogs.com wird zunehmend durch die schnöseligen Beiträge des neu aufgenommenen "Großbuden-Nerds" vereitelt.

Zeit, einen lehrreichen Gegenentwurf zu starten. Zeit, die Dinge wieder ein wenig zurecht zu rücken. Zeit, ein paar Großkanzlei-Mythen zu entzaubern.

Kurzum: Zeit, die glitzernde Law-Firm-Welt Mainhattans aus der Sicht eines Paralegals darzustellen. Ungeschminkt und jenseits der Hochglanzbroschüren.

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